Das ehemalige Rathaus
Ein Haus mit Geschichte
Ursprünge im Mittelalter
Im Besitzverzeichnis der Gemeinde aus dem Jahr 1586 taucht erstmals ein Rathaus in Neundorf auf. Über das genaue Baujahr gibt es keine eindeutigen Angaben, jedoch lässt die Bauweise – mit meterdicken Wänden, niedrigen Zimmern, einem Stampflehmboden und schlichter Einrichtung – eine Entstehung in der Zeit um 900 bis 1000 n. Chr. vermuten.
Ein markantes Merkmal war der eichene Querbalken über der Haustür, in den ein Zimmermann den Spruch „Arbeit schafft Gut“ eingeschnitzt hatte – ein frühes Zeugnis des Arbeitsethos der Dorfgemeinschaft.
Der „Plan“ – Zentrum des Dorflebens
Das historische Rathaus stand auf dem sogenannten „Plan“, dem Mittelpunkt des alten Dorfes, umgeben von großen Bauernhöfen. Dieses erste Rathaus wurde jedoch vor 1621 im Dreißigjährigen Krieg durch ein verheerendes Feuer zerstört. Dabei gingen wertvolle Akten und Urkunden unwiederbringlich verloren.
Für nahezu ein Jahrhundert blieb der Platz unbebaut, bis dort eine Gemeindebäckerei errichtet wurde. Doch auch diese fand keine dauerhafte Bestimmung: Im Dezember 1879 beschloss der Gemeinderat, das leerstehende Backhaus in der Güstener Straße (ehemals Franz Hartmanns Bäckerei) zu verkaufen.
Jahrhundertelang ohne festes Rathaus
Über viele Generationen verfügte Neundorf über kein eigenes Rathaus. Die Gemeindeverwaltung arbeitete notgedrungen in Gasthäusern oder Privatwohnungen der Gemeindevorsteher. Sitzungen des Gemeinderats wurden meist in der Gemeindeschenke, später auch in den Räumen der Hanse-Stiftung abgehalten.
Ein Neuanfang – Das Hotel „Stadt Bernburg“ wird Rathaus
Nach langer Suche entschied sich der Gemeinderat schließlich, das zum Verkauf stehende Hotel „Stadt Bernburg“ zu erwerben. In einer außerordentlichen Gemeinderatssitzung am 1. Juni 1919 wurde der Kauf einstimmig beschlossen.
Es folgten zahlreiche Beratungen über die Nutzung und den Ausbau des Gebäudes. Besonders viel Wert wurde auf die Gestaltung des Sitzungssaals, der Holzdecke, Täfelung und schweres Gestühl erhielt, gelegt.
Ein passender Leitspruch begleitete das Projekt:
„Beim Rat weil, zur Tat eil“
An der Stirnwand des neuen Hauses der Gemeinde wurde weithin sichtbar eingemeißelt:
„Arbeit ist des Bürgers Zierde,
Segen ist der Mühe Preis“
So entstand ein funktionales und zugleich repräsentatives Rathaus – geschaffen mit dem Opferwillenund Gemeinsinn der Bürger.
Das Standesamt im Rathaus
Ein bedeutender Teil der Verwaltung war das Standesamt, das über Jahrzehnte hinweg im Rathaus untergebracht war. Im September 1983 fand hier die letzte reguläre Trauung statt, bevor Neundorf dem Standesamt Staßfurt unterstellt wurde.
Ein kleines Stück Geschichte schrieb sich am 22. Mai 1999: Wegen Straßenbauarbeiten in Staßfurt konnte dort keine Trauung stattfinden – so stieg wieder ein Brautpaar die Rathaustreppe in Neundorf empor.
Rathaus im Wandel – Nach der Eingemeindung
Bis zum 31. Dezember 2008 diente das Rathaus Neundorf als Sitz des Bürgermeisters und des Gemeinderates. Mit der Eingemeindung Neundorfs zur Stadt Staßfurt zum 1. Januar 2009 wurde es zum Verwaltungsgebäude eines Ortsteils.
Heute wird das historische Rathausgebäude nicht mehr für kommunale Amtsgeschäfte genutzt, sondern beherbergt Büros, kulturelle Veranstaltungen und Vereinsleben – ein lebendiger Treffpunkt im Herzen Neundorfs, der weiterhin Zeugnis seiner langen Geschichte ablegt.
