Die Kirchen von Neundorf

– Geschichte in Stein

neue kirche luftaufnahme 2020

Die Alte Kirche – Zeugnis aus vergangenen Jahrhunderten

An der Stelle, an der heute die Neundorfer Kirche steht, befand sich schon seit Jahrhunderten eine ältere Kirche. Ursprünglich war sie ein einfaches Kirchlein, einem Betsaal gleichend, erbaut auf der höchsten Stelle des Ortes. Umgeben war sie von einem weitläufigen Friedhof, der sich bis zum heutigen Hecklinger Weg erstreckte – weit über den heutigen Kirchgarten hinaus.
Im Westen der Kirche stand der alte Kirchturm, ein vermutlich zur Zeit der Wenden als Schutz- und Trutzturm errichtetes Bauwerk. Dieser Turm überdauerte sogar den Dreißigjährigen Krieg und trug eine Glocke, die noch heute als die größte im Neundorfer Geläut erhalten ist.

Frühe Erwähnung und erste Pfarrer

Ein genaues Baudatum der alten Kirche ließ sich nicht ermitteln. Die älteste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1221, als Papst Honorius III. dem Probst zu Hecklingen das Patronatsrecht über mehrere Kirchen – darunter auch die in Neundorf – bestätigte.
Im Jahr 1525 wurde Neundorf Teil der Reformation: Eine Äbtissin des ehemaligen Hecklinger Klosters entsandte einen Seelsorger der „neuen Lehre“. Bereits 1541 wird ein gewisser Johannes Nordorff zu Neindorff als Pfarrer erwähnt – ein Geistlicher, der noch zu Lebzeiten Luthers in Neundorf wirkte.

Erneuerungen und Veränderungen

  • 1693: Reparatur der Kirchturmuhr
  • 1699–1700: Instandsetzung der Glocken zur Jahrhundertwende
  • 1754: Die baufällige Kirche wurde erneuert und nach Süden hin erweitert. Nur die nördliche Mauer blieb erhalten. Die Kirche bestand aus Bruchsteinmauerwerk, gedeckt mit Ziegeln.


Bei den Arbeiten wurde von einem unterirdischen Gang berichtet, der angeblich von der Kirche bis zum ehemaligen Kloster in Hecklingen führte. Man fand gangähnliche Strukturen, die jedoch durch Einbrüche und Zuschüttungen nicht weiter untersucht werden konnten.

  • 1805/06: Zwei neue Glocken wurden vom Halberstädter Glockengießer Joh. Gettwerth gegossen – eine kostspielige Anschaffung, die 430 Taler und 12 Groschen kostete.
  • 1841: Der alte Friedhof war vollständig belegt. Ein neues, drei Morgen großes Gelände „an der Krücke“ wurde zum neuen Begräbnisplatz. Der damalige Pfarrer Laddey stellte das Land zur Verfügung.


Der Übergang – Abriss und Neubeginn

Am 19. Februar 1900 wurde der alte Schutz- und Trutzturm, fast 1000 Jahre alt, durch eine Sprengung niedergelegt. Der Turm galt als eines der ältesten Gebäude des Ortes – neben Teilen der heutigen Wohlfahrtswerke. Mit seinem Verschwinden endete ein Kapitel Neundorfer Geschichte. Er hatte über Generationen hinweg die kleinen Bauernfamilien auf dem angrenzenden Friedhof begleitet.


Die Neue Kirche – Bau und Einweihung

Am 28. April 1901 wurde der Grundstein für die neue Kirche gelegt. Der Tag war festlich begangen: Hochrangige Gäste aus Kirche und Verwaltung versammelten sich, darunter Superintendent Fischer und Ortspfarrer Neubert, die in bewegten Worten die Wünsche der Gemeinde zum Ausdruck brachten. Baumeister Gottlieb Heuke setzte den Grundstein in das Fundament der neuen Kirche ein.
Bereits am 9. November 1902 konnte die feierliche Einweihung erfolgen. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Orgel, Chor und Gesang begleiteten die Zeremonie – ein Höhepunkt kirchlichen Lebens. Besonders in Erinnerung blieb das Lied:
„Bis hierher hat uns Gott gebracht, er wird auch weiterhelfen.“
Am Abend fand ein großes Kirchenkonzert mit Gesangssolisten, Orgel- und Geigenklängen statt – eine musikalische Würdigung dieses neuen sakralen Mittelpunktes.


Architektur und Ausstattung

Die neue Kirche ist stilistisch dem Historismus zuzuordnen, geprägt von einem sichtbar hohen Turm, farbiger Ausmalung der Gewölbe und kunstvoll gestalteten Fenstern. Ein würdiger Nachfolger für die jahrhundertealte Vorgängerkirche.


Sanierungen und Erhaltungsmaßnahmen

In den letzten Jahrzehnten wurde die Kirche regelmäßig instandgehalten:

  • 1990er Jahre: Neueindeckung von Turm und Kirchenschiff
  • 1999: Neue Glockenläuteanlage, Gewölbesicherung mit Stahlankern
  • 2000/2001: Sanierung der Schallluken, Fensterrestaurierung über der Orgel, Fassadenerneuerung, Einbau von Sanitäranlagen, Küche und Versammlungsräumen, neue Turmuhr mit modernen Ziffernblättern
  • 2002: Restaurierung eines dreiteiligen Seitenfensters und Generalüberholung der Orgel
  • Ständig weitere Sanierung und Instandsetzungsarbeiten sowohl Innen als auch Außen an der Kirche


Die Kirchen von Neundorf sind mehr als nur Bauwerke. Sie spiegeln die Geschichte und Entwicklung des Ortes wider – von einem kleinen bäuerlichen Dorf bis zur modernen Gemeinde. Die alte Kirche mit ihrem wehrhaften Turm war ein Symbol mittelalterlicher Dorfstruktur. Die neue Kirche hingegen steht für den Aufbruch, das Wachstum und das Zusammenwirken einer engagierten Dorfgemeinschaft – und bleibt bis heute ein zentraler Ort des Glaubens, der Musik und der Begegnung.